Rückwanderung von Erwerbspersonen – aktuelle Deutschlandzahlen im regionalen Vergleich

Die Rückwanderung von Erwerbspersonen ist ein Phänomen mit großen regionalen Unterschieden. Aktuelle Deutschlandkarten der erstmalig flächendeckend für alle 402 Kreise durchgeführten Analyse zu Männern und Frauen, Jungen und Alten sowie Hoch- und Geringqualifizierten zeigen klare räumliche Muster.

Viele Regionen Deutschlands verzeichnen nach wie vor rückläufige Bevölkerungszahlen, auch wenn sich die Schrumpfung in den letzten Jahren etwas verringerte. Gleichzeitig wachsen viele Großstädte und ihr Umland (Herfert/Osterhage 2011; Wolff/Leibert 2016). Dadurch verteilt sich die Bevölkerung zunehmend ungleich im Raum.

Die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter stellt die Grundlage des regional verfügbaren Arbeitskräftepotenzials und somit der Wirtschaftskraft einer Region dar. Diese wird durch die Abwanderung junger und gut qualifizierter Erwerbspersonen geschwächt (Fuchs/Söhnlein/Weber 2011). Von demografischer Schrumpfung betroffene Regionen sehen deshalb in der Rückkehr ehemals Abgewanderter eine Möglichkeit, der Nachfrage nach Arbeitskräften vor Ort zumindest zum Teil gerecht zu werden (Nadler/Matuschewski 2013; Lang/Hämmerling 2013).

Zur Rückwanderung nach Ostdeutschland sind erste arbeitsmarktrelevante Untersuchungen vorhanden (Schneider/Kubis/Wiest 2011; Nadler/Wesling 2013, Fuchs/Weyh 2015). Jedoch stehen flächendeckende Untersuchungen zur Rückwanderung für ganz Deutschland noch aus. Dabei bieten gerade die Daten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) eine Möglichkeit zur Beobachtung rückwärtsgerichteter Umzüge (Nadler 2015). Anhand der Daten aus den Integrierten Erwerbsbiografien (IEB) analysiert dieser Beitrag erstmals deutschlandweit die Rückwanderung von abhängig Beschäftigten und Arbeitslosen auf der Ebene von Landkreisen und kreisfreien Städten für die Jahre 1999 bis 2014. Besondere Beachtung finden die soziodemografischen Merkmale der Rückgewanderten.

Große regionale Unterschiede
Deutschlandweit liegt die Rückkehrquote der Erwerbspersonen im Durchschnitt der Jahre 1999 bis 2014 bei 19,6 Prozent. Die Rückkehrquote ist der Quotient aus allen Rückwanderungsereignissen in einen Kreis über den Zeitraum 2001 bis 2014 und der Summe aller Abwanderungsereignisse aus demselben Kreis zwischen 1999 und 2012 (Glossar). Die Rückkehrquote schwankt erheblich zwischen den einzelnen Kreisen (Karte 1). Spitzenreiter sind der westthüringische Landkreis Eichsfeld (32,0 Prozent), die bayerischen Landkreise Passau (26,1 Prozent) und Straubing-Bogen (25,6 Prozent) sowie der Landkreis Saarlouis (25,5 Prozent). Die geringsten Rückkehrquoten weisen die Städte Frankfurt (Oder) (13,9 Prozent), Offenbach a.M. (14,4 Prozent), Heidelberg (14,6 Prozent) und der Landkreis Freising (14,8 Prozent) auf. Während die Rückkehrquote selbst erhebliche regionale Schwankungen aufweist, ist die Zeitspanne zwischen der Abwanderung aus einem Kreis und der Rückwanderung recht homogen: Sie liegt in allen Kreisen bei drei bis vier Jahren.

Karte 1

Grundsätzlich ist die Rückkehrquote in Städten deutlich geringer als in ländlichen Gebieten. Auch in das Umfeld von wirtschaftsstarken westdeutschen Städten kehren verhältnismäßig wenige Erwerbspersonen zurück. Besonders deutlich wird dieses Muster im Großraum München und im Rhein-Main-Gebiet. Ob dies an unterschiedlichen Rahmenbedingungen wie deutlich höheren Lebenshaltungskosten in den Städten als auf dem Land oder an unterschiedlichen individuellen Präferenzen wie eine größere Bindung an den Ursprungskreis auf dem Land liegt, lässt sich aus den Daten nicht ableiten. Hierfür wäre eine eigenständige Befragung der Rückkehrer notwendig.

Mehr Männer wandern zurück
Deutliche regionale Muster im Rückwanderungsgeschehen zeigen sich auch, wenn nach soziodemografischen Merkmalen der Personen differenziert wird. In Karte 2 ist die Zahl der Rückwanderungsereignisse von Frauen im Zeitraum 2001-2014 ins Verhältnis zu den entsprechenden Ereignissen von Männern gesetzt. Deutschlandweit kommen auf 100 männliche Rückkehrer 82 weibliche Rückkehrer. Rückwanderer sind also in den meisten Regionen Deutschlands mehrheitlich Männer. Dafür könnten verschiedene Erklärungen in Betracht kommen. Männer gehen nach der Abwanderung in den Zuwanderungsregionen seltener stabile Paarbeziehungen ein und haben dann als Alleinstehende eine stärkere Neigung zur Rückwanderung (Kröhnert/Klingholz 2007; Fuchs-Schündeln/Schündeln 2009). Zudem sind die Rückkehrquoten in ländlichen Regionen höher – also dort, wo auch tendenziell eher männerdominierte Arbeitsplätze existieren (Wiest/Leibert 2013; Hausmann/Kleinert 2014; Zika u.a. 2015). Ein weiterer Erklärungsansatz könnte sein, dass Frauen zunehmend nach Unabhängigkeit und materieller Eigenständigkeit streben. Bessere Chancen dafür sehen sie in den Großstädten mit besseren Gehaltsmöglichkeiten in hochqualifizierten Tätigkeiten (Brücker/Trübswetter 2007) sowie geringeren geschlechtsspezifischen Gehaltsunterschieden (Hirsch/König/Möller 2009). Frauen, die statushöhere Partner suchen, finden diese tendenziell auch eher in den von gut bezahlten Management- und Dienstleistungsberufen geprägten Großstädten als in ihren ländlichen Herkunftskreisen (Dahlström 1996; Bjarnason/Thorlindsson 2006). Lediglich in sechs der insgesamt 402 Kreise ist die Rückkehrquote für Frauen höher als für Männer (Karte 2).

Karte 2

Viele Junge zieht es aufs Land zurück
Die Altersstruktur der Rückwanderer wird anhand des Alters zum Zeitpunkt der Rückwanderung bestimmt. Dabei werden in der vorliegenden Analyse Personen im Alter von über 55 Jahren und von unter 25 Jahren unterschieden. Deutschlandweit sind 122 Rückwanderungen von unter 25-Jährigen pro 100 Rückwanderungen von über 55-Jährigen zu beobachten. Es kehren also insgesamt mehr Jüngere als Ältere zurück. In regionaler Hinsicht werden Unterschiede insbesondere zwischen Agglomerationsräumen und ländlichen Regionen sichtbar (Karte 3). Verhältnismäßig viele ältere Erwerbspersonen kehren in die Metropolregion Rhein-Ruhr, das Rhein-Main-Gebiet, den südlichen Münchener Raum sowie nach Berlin zurück. So kommen in Mülheim an der Ruhr, Bonn und Berlin auf zehn ältere Rückkehrer nur sechs jüngere. Viele ländlich geprägte Regionen verzeichnen hingegen eine verstärkte Rückkehr gerade von Jüngeren. Hierzu zählen vorrangig Mecklenburg-Vorpommern sowie große Teile Sachsen-Anhalts, Thüringens, Sachsens und Bayerns. In den Landkreis Tirschenreuth ziehen 2,5 Mal so viele Jüngere wie Ältere zurück, und in den Landkreisen Ludwigslust-Parchim und Nordwestmecklenburg sind es 2,2 Mal so viele.

Karte 3

Für das Wanderungsverhalten der jüngeren Erwerbspersonen spielt insbesondere die Ausbildungsmobilität eine große Rolle. Die Hochschulen befinden sich in der Regel in den größeren Städten, so dass viele Jüngere aus den ländlich geprägten Regionen dorthin ziehen (Sander 2014). Generell sind sie auch mobiler als die Älteren (Hunt 2006). Vielfach sind die unter 25-Jährigen noch nicht familiär gebunden, was ihnen einen Umzug erleichtert. Als Berufseinsteiger können sie auch nur unter einem eingeschränkten Jobangebot auswählen. Eine Arbeitsstelle treten sie dann möglicherweise wieder in der (ländlichen) Heimatregion an. Dies dürfte vor allem für die ländlichen Regionen Süddeutschlands relevant sein. In Ostdeutschland hat sich die Arbeitsmarktsituation in den letzten Jahren stark verbessert und Fachkräfte werden mittlerweile häufig gesucht (Fuchs/Wesling/Weyh 2014). Die jüngeren Rückkehrer haben in ihren Heimatregionen viel bessere Beschäftigungschancen als noch vor zehn Jahren, und viele Regionen profitieren von der Rückkehr der Jüngeren (Fuchs/Weyh 2015).

In die ländlichen Regionen Westdeutschlands wandern mehr Gering- als Hochqualifizierte zurück
Im Bundesdurchschnitt wandern 169 Geringqualifizierte (ohne Berufsabschluss) auf 100 Hochqualifizierte (mit akademischen Abschluss) zurück, mit beträchtlichen Unterschieden zwischen Ost- und Westdeutschland sowie zwischen einigen ländlichen Regionen und Metropolregionen innerhalb Westdeutschlands (Karte 4).

Karte 4

In zahlreiche ostdeutsche Kreise ziehen mehr Personen mit akademischer Ausbildung als Personen ohne Berufsabschluss zurück. Ein Grund hierfür könnte sein, dass das formale Qualifikationsniveau der Ostdeutschen höher ist als das der Westdeutschen. So kommen beispielsweise bei den Rückkehrern nach Jena auf 100 Hochqualifizierte nur 35 Geringqualifizierte. Tendenziell wandern Hochqualifizierte stärker in Großstadtregionen zurück als in den ländlichen Raum. Dies ist an sich wenig überraschend, da sich in den Metropolen entsprechende Arbeitsplätze stärker konzentrieren (Dahlström 1996; Bjarnason/Thorlindsson 2006). Für Nordostbayern, fast ganz Rheinland-Pfalz, große Teile Nordrhein-Westfalens, Nordwestniedersachsen und Teile Schleswig-Holsteins gilt jedoch, dass wesentlich mehr Gering- als Hochqualifizierte zurückwandern. Nach Pirmasens kommen beispielsweise fast sieben Mal so viele Gering- wie Hochqualifizierte zurück.

Fazit
Der erste gesamtdeutsche Blick auf die Rückwanderung von Erwerbspersonen verdeutlicht, dass es sich nicht um ein Ost-West bzw. West-Ost Phänomen mit evidenten Unterschieden zwischen den alten und neuen Ländern handelt. Vielmehr sind folgende Grundstrukturen und räumliche Muster erkennbar:

Männer wandern deutlich häufiger zurück als Frauen. Die Rückwanderung folgt in ihrer kleinräumigen Verteilung geographischen Mustern, die sich zwischen Großstädten und ihrem Umland einerseits sowie zwischen Großstädten und ländlichen Regionen andererseits ausbilden. Dabei profitieren ländliche Regionen – mit höheren Rückkehrquoten – prinzipiell stärker von Rückwanderung als Großstädte, und sie ziehen auch eher die jüngeren Rückkehrer an. Gleichzeitig kehren mehr Hoch- als Geringqualifizierte in die Städte und ihre Umland zurück.